Wappen des Schachklubs Hietzing Wien
Schachklub Hietzing Wien
gegründet 1921
Schachklub Hietzing

Broschüre "75 Jahre Hietzing 1921 - 1996"

Geschichte > Seite 2

Im Jahre 1932 führte der Klub sein erstes Großturnier durch: das 15. Trebitsch-Turnier. KR Oskar Trebitsch und KR Felix Klein, die großen Mäzene des Klubs in der Zeit vor 1938, wurden Ehrenmitglieder.

Im Jahre 1933 begann wieder ein sportlicher Höhepunkt des Klubs. Das war vor allem der Meistermannschaft zu verdanken, um die uns damals viele beneiden konnten. Rudolf Spielmann, Ernst Grünfeld, Erich Eliskases, Hans Kmoch, Ladislav Döry, Fritz Igel, Ernö Gereben (damals noch Ernö Grünfeld), Hans Müller, Ing. Ernst Robitschek, Erich Grünspan, Fritz Klutke, Josef Kolnhofer und Karl Kopetzky eilten von Sieg zu Sieg und brachten dem Klub in den Spieljahren 1932 bis 1936 den Titel eines Meistervereins von Wien in vierfacher Aufeinanderfolge. Doch die wirtschaftliche Krise in Österreich sollte den Verein bald um die Früchte seiner Aufbauarbeit bringen.

Die Sektion Hietzing fand zunächst wieder im Café Schönbrunn eine Bleibe. Nun reifte in der Klubleitung der Plan, ein Privatheim zu schaffen, in dem die Mitglieder vom Konsumationszwang befreit waren, jedoch eine Konsumation­smöglichkeit besitzen sollten. Ein solches Heim wurde denn auch in Bälde in der Bräunerstraße 7 im ersten Wiener Gemeindebezirk gefunden und zu einem Spiellokal umgewandelt. Unter dem Namen "Wiener Schachgesellschaft" eta­blierte sich dort der Klub und brachte im Jahre 1934 das 17. Trebitsch-Turnier zur Austragung. Es war ein herrliches Heim mit idealen Bedingungen für eine Aufwärts­entwicklung des Vereins. Die mit aller Schärfe einsetzende Arbeits­losigkeit hatte jedoch ein katastrophales Absinken des zunächst sehr guten Besuchs in der Bräunerstraße zur Folge. Ver­schiedene Quertreibereien, Intrigen, Unredlichkeiten eines Vereins­sekretärs und schließlich ein gewisser Boykott einiger Wiener Vereine führte Ende 1935 zum Zusammenbruch des Schachheims und damit zugleich zum Begräbnis eines Plans, für den die Wiener Schach­bewegung offenbar noch nicht reif genug war. Ein Liquidierungsausschuss, bestehend aus Dir. Heinrich Lanz, Franz Kreuzer, Karl Pejrimovsky, Franz Geisberger und Julius Schiwald versilberte das vorhandene Ver­mögen, um die bestehende Überschuldung – das Privat­lokal kostete natürlich Geld – zu beseitigen. Vor allem Herr Kreuzer leistete in diesem Zusammenhang Über­menschliches. Mit Spannung blickte man der nächsten Generalversammlung am 14. Jänner 1936 entgegen. Herr Uhlirsch zog aus dem Vergangenen die Konsequenzen und demissionierte nach fast 12 Jahren seiner Präsidentschaft. Sein Versuch, der Wiener Schach­bewegung eine würdige Heimstätte zu schaffen, war zwar fehlgeschlagen, doch wäre es ungerecht, Herrn Uhlirsch daraus, wie es da und dort geschehen ist, einen Vorwurf zu machen. Er hat den Verein seinen ersten Höhepunkten entgegen geführt. Sein ideales Wirken war den widrigen Umständen unterlegen. Präsident Uhlirsch wird aber für immer im Ehrenbuch des Schachklubs Hietzing mit goldenen Lettern verzeichnet bleiben! In dieser besagten Generalversammlung trat Julius Schiwald sein Amt als neuer Präsident des Klubs an, dem es gemeinsam mit Franz Kreuzer gelang, mit den Gläubigern zu einem für den Verein tragbaren Ausgleich zu kommen. Auch die Klubtreue der Mitglieder und deren Opferwilligkeit waren in dieser schweren Zeit das Fundament für das Gelingen des Aufbaus des Vereinslebens. Als Klublokal war nur mehr das Café Schönbrunn übrig geblieben, das sich jedoch als zu klein erwies, weshalb Hietzing am 23. Mai 1936 wieder in den Hietzingerhof zurückkehrte; ein Umstand, der Herrn Schiwald bewog, sein Amt zurückzulegen. Interimistisch wurde ein Direktorium, bestehend aus Dr. Dorazil, Dir. Heinrich Lanz und Hermann Plass mit der Leitung des Klubs bis zur nächsten General­versammlung am 5. Jänner 1937 betraut. Auf dieser wurde Dir. Heinrich Lanz zum Präsidenten gewählt und zugleich die Übersiedlung ins "Stammkaffee" beschlossen, da das Verhältnis zum Inhaber des "Hietzingerhofes" einen Weiterverbleib des Klubs in diesem Lokal unmöglich machte. Seither ist das Café Aigner Spiellokal des Schachklubs Hietzing geblieben, und die Namen "Hietzing" und "Aigner" werden in der Geschichte für immer miteinander verbunden bleiben. Gewissermaßen zum Trost und zugleich zum äußeren Ansporn eroberte der Klub zum zweiten Mal die Wiener Cuptrophäe.

Gleichzeitig ging in unseren Reihen ein neuer Stern auf, Dr. Wolfgang Weil, dessen starkes Licht leider knapp vor dem Ende des bald über die Welt hereinbrechenden Welt­krieges durch eine Granate in Kroatien für immer aus­gelöscht wurde. Dr. Weil hatte den Marschallstab in seinem Tornister getragen, mit seinem frühen Tode war zugleich die österreichische Schach­bewegung um eine Hoffnung ärmer geworden.

Doch vorerst wieder zurück zu den geschichtlichen Ereignissen des Jahres 1938. Auf der Haupt­versammlung am 5. Jänner 1938 konnte Präsident Dir. Heinrich Lanz die Feststellung treffen, dass die Klubkrise überwunden war. Der große Klub, nunmehr klein geworden (er hatte in seiner besten Zeit auf zirka 600 Mitglieder blicken können), hatte nunmehr wieder einen Obmann und keinen Präsidenten mehr. Als solcher wurde Hermann Plass bestellt, der jedoch bald zufolge einer Versetzung nach Linz sein Amt an Amtsrat Julius Schiwald abtreten musste. Inzwischen hatte Hietzing die Einheitssatzungen des "Groß­deutschen Schachbundes" an­erkennen müssen, und sein Obmann wurde "Klubführer". Der zweite Weltkrieg hatte zahlreiche Einrückungen zur Folge, die die Spielstärke der einzelnen Mann­schaften naturgemäß schwächten. Die Zahl der Mitglieder belief sich Ende 1938 auf 108. Im Frühjahr 1942 war Julius Schiwald seines Amtes als Klubführer wieder müde. Auf einer außerordentlichen General­versammlung wurde Herr Dr. Walter Schalk an seiner Stelle als Klubführer berufen. Der Cup wurde zum dritten Mal eine Beute unseres Klubs. Zum Ende des Spieljahres 1942/43 trat der Verein neuerlich mit einer, für die damaligen Verhältnisse großen Veranstaltung im Café Aigner vor die Öffentlichkeit. Ein Pfingstturnier (1943) brachte die Herren Kopetzky (Dresden), Pitschak (Brünn), Leschnik (Marburg) und Elm (Essen) nach Wien. Wie stark das Turnier besetzt war, mag der Umstand unterstreichen, dass die Meister Hans Müller und Leopold Watzl im geschlagenen Feld landeten. Sieger wurde Herr Leschnik vor Pitschak und Elm. Einige der besten Partien wurden von Dr. Dorazil gesammelt und glossiert in einer kleinen Broschüre dem Publikum zugänglich gemacht. In den folgenden Wochen und Monaten ging das Schachleben in Wien infolge der Verschlechterung der Kriegslage und der mannig­fachen Entbehrungen und Ein­schränkungen erkennbar zurück. Besonders erwähnenswerte Ver­anstaltungen fanden bis zum Kriegsende nicht mehr statt. Fast unmittelbar nachher – der Donner der Geschütze in der Schlacht um Wien war kaum verhallt – sammelten sich die treuesten Hietzinger bereits wieder im Café Aigner, unter ihnen unser unvergesslicher, leider zu früh verstorbener Theoretiker Hans Haberditz, dessen Initiative das erste Wiener Nachkriegsturnier zu verdanken ist (mit Hans Müller, Hans Haberditz, Leopold Watzl, Norbert Rautenberg als Teil­nehmern). Bald folgte ein Sommer­turnier, und das Schachleben im Klub nahm wieder seinen bescheidenen Anfang. Im Sommer ging noch alles mehr oder weniger nach Wunsch; aber als die kalten Tage kamen ... Mit Mänteln und Pelz­mützen saßen die treuen Schächer vor ihren Schachtischen und gingen dem königlichen Spiel nach. Oft fanden die Spiele eine unliebsame und ungewollte Unterbrechung, wenn der "Bundes­lastverteiler" zum x-ten Male bekanntgeben musste, dass wieder einmal das Verbundnetz zusammen­gebrochen war. Nach und nach kehrten die meisten unserer Mitglieder aus Krieg und Kriegsgefangenschaft wieder nach Hause zurück. Wir begrüßten jeden Einzelnen recht herzlich und freuten uns für jeden Heimkehrer. Jenen aber, die draußen geblieben waren, gilt unser besonderes Gedenken. Trauernd senkte sich die Fahne zur Erde.