Wappen des Schachklubs Hietzing Wien
Schachklub Hietzing Wien
gegründet 1921
Schachklub Hietzing

Broschüre "75 Jahre Hietzing 1921 - 1996"

Geschichte > Seite 1

Die Geschichte des Schachklubs Hietzing

Die Herren Franz Kreuzer und Jakob Heliczer standen an der Wiege des Klubs. In schwerer Zeit, nach einem verlorenen Krieg und angesichts einer horrenden Inflation, dachten sie im Sommer 1921 an das Schach und an die Gründung eines Vereins. Ebenso schnell wie der Entschluss gefasst war, wurde er in die Tat umgesetzt. Am 18. Juli 1921 beschloss eine im Café Gröpl im XIII. Wiener Gemeindebezirk zusammen­gerufene Schachrunde die Gründung (Obmann wurde Jakob Heliczer). In der Chronik steht zu lesen, dass der Schachverein Hietzing ein Werk der Jugend war, die voll Optimismus, voll überschäumender, durch keine Hindernisse erlahmende Tatkraft den Gründungsentschluss fasste. Dieser Geist ist dem Verein bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben. Zunächst aber stellten sich Schwierigkeiten ein. So wie im Leben der junge Erdenbürger spezifischen Gefahren, vor allem Krankheiten ausgesetzt ist, denen er infolge seiner noch nicht konsolidierten körperlichen Ver­fassung oft erliegt, so begegnen auch einer geselligen Vereinigung zu Beginn ihrer Existenz Gefahren, die abzuwehren nicht immer leicht ist. So war es auch bei Hietzing. Trotz allem Optimismus entsprach zunächst der Mitglieder­zuwachs nicht den Erwartungen des Herbergsvaters. Dem Vereins­vorstand wiederum entsprach der dem Klub im Café Gröpl zugewiesene kleine Raum (es gab dort nur für 14 Spieler Platz) nicht, und so gab es bereits im Oktober 1921 die erste Übersiedlung, und zwar in das in der Nähe gelegene Café Schönbrunn in der Altgasse. Hier wurde die erste Klub­meisterschaft ausgetragen. Doch auch in diesem Lokal gab es bald keinen ausreichenden Raum für den inzwischen schon auf 35 Mitglieder angewachsenen Verein. Am 13. Jänner 1922 wird der Schachklub Hietzing als 23. Verein in den Österreichischen Schachverband auf­genommen. Eine glückliche Fügung führte uns im Jahre 1922 ins Café Aigner, die Stätte der Konsolidierung und des entscheidenden Aufstiegs. Auf die Zusage des Herrn Aigner bauend, dem Verein ein richtiges "Schachheim" zu schaffen, zog der Schachklub in das neue Lokal. Herr Aigner hielt Wort, und so wurde das Café Aigner und mit ihm der Schachklub Hietzing im Schachleben ein Begriff. Am 15. Februar 1922 wurde das neue Klublokal in der Linzerstraße 105 mit einem Simultanspiel eröffnet (Prof. Dr. H. V. Klein gewann 17 Partien bei einer Niederlage). Ein "Stern" in der Schachwelt Wiens und Österreichs war aufgegangen. Am Rande sei vermerkt, dass sich der Schachklub Hietzing schon damals dem Namen Carl Schlechters verbunden fühlte, eine Verbundenheit, der er durch die Veranstaltung von nunmehr bereits vier internationalen Carl-Schlechter-Gedenk-Turnieren auch in der Folge treu blieb. Großmeister Rudolf Spielmann stellte sich im gleichen Jahr uneigennützig zu einer Simultanvorstellung zugunsten der verarmten Mutter des Verstorbenen zur Verfügung (+30, =2, -2). Hiefür erhielt der Verein von der alten Dame eine Biografie samt Bild Schlechters, das sich noch heute im Klubheim befindet. 1923 nimmt der Schachklub Hietzing das erste Mal an der Wiener Vereinsmeisterschaft teil. Eine neue schwere Erschütterung im Wiener Schachleben verdunkelte noch im Jahre 1924 den Schachhimmel Hietzings, dem sich inzwischen der Schachverein Baumgarten ange­schlossen hatte. Eine Erschütterung, die in erster Linie das Gefüge der Wiener Schachbewegung berührte. Eine Anzahl von Schachvereinen trat aus dem Österreichischen Schach­verband aus und schloss sich unter Führung von Josef Hanacik dem Arbeitersportverband als Arbeiter-Schachbund an. Die verbliebenen Klubs vereinigten sich unter Prof. Becker im Österreichischen Schach­verband. Die Spaltung übertrug sich auch auf den jungen Schachverein Hietzing. Unter Führung von Herrn Liebenauer strebte ein Teil der Mitglieder den Anschluss des Klubs an den Arbeiter-Schachklub Wien an. Es bildeten sich zwei Parteien, die sich die Waagschale hielten. In dieser labilen Situation lehnte Ing. Wiche bei der Generalversammlung (er war der zweite Obmann) eine Wiederwahl ab. Beide Parteien ersuchten daraufhin Franz Uhlirsch, die Obmannstelle zu übernehmen. Unter seinem Einfluss konnte bald eine Klärung im Sinne eines Verbleibens des Klubs beim Österreichischen Schachverband erreicht werden. Der Aufbau des Vereins fand in der Folge ruhig seine Fortsetzung. Noch im Jahre 1923 konnte die Zahl der Mitglieder auf 68 erhöht werden. Mit Uhlirsch war im Übrigen ein Schachfunktionär an die Spitze Hietzings getreten, der durch selbstlose Hingabe und seltene Energie die Geschicke des noch jungen Schiffleins Hietzing in den großen Hafen des Erfolges zu lenken vermochte. Denn unter seiner Leitung wurden das Fundament zur Tradition Hietzings und der erste Höhepunkt des Erfolges gelegt.

Die Tradition des Vereins basiert seither auf der Pflege des Spitzen- und Breitenschachs und damit auf der Konzentration der schachlichen Kräfte, auf der Pflege nicht nur des Herren-, sondern auch des Damen - und Jugendschachs, auf der Pflege der internationalen Einzel- und Mannschafts­wettkämpfe und schließlich auf der Pflege des Kunst- und Fernschachs. Dank der zielstrebigen Arbeit des damaligen Klubvorstandes unter der Leitung des Genannten ging es zunächst im Wiener Vereinsschach kraftvoll aufwärts. Im Spieljahr 1925/26 erreichte Hietzing bereits die Zugehörigkeit zur 1. Klasse (der heutigen Landesliga). Im Jahre 1924 kam es zur Gründung einer Sektion im Hotel "Hietzinger Hof" , der Stätte des bald einsetzenden weiteren Aufstiegs. Hier standen dem Klub ideale Klubräume zur Verfügung, und so war es nicht verwunderlich, dass gerade diese Sektion binnen kurzem großen Zulauf zu verzeichnen hatte. Obmann Uhlirsch schuf im gleichen Jahr das bekannte Hietzinger Klubabzeichen, das auch heute noch das Hietzinger Symbol (der Turm) ist. In diesem Jahre kam es außerdem zur Fusion mit dem Breitenseer Schachverein. Zur ungefähr gleichen Zeit kam es zu Fernschachkämpfen mit dem Schachklub Malta und dem Cercle Philidor in Paris. Im Jahre 1926 erschien erstmals, als Nach­richtenblatt gedacht, eine Vereinszeitung. Die Mitgliederzahl war bereits auf 170 angewachsen. – Am 22. Mai 1927 wurde der Wiener Schachverband (WSV) gegründet. Als Dachorganisation bleibt aber der Österreichische Schachverband (ÖSV). Im Zuge dessen wurden auch in den anderen Bundesländern eigene Landesverbände gegründet. – Die Problemsektion unter der Leitung des bekannten Problem­komponisten Rudolf Weinheimer wurde ins Leben gerufen, desgleichen eine Mittelschulsektion geschaffen, aus der u.a. auch Meister DI Ernst Stöckl hervorging. Ein Jahr später trug auch die Arbeit in der Damenschachbewegung ihre Früchte. Unser Mitglied, Frau Paula Wolf-Kalmar, wurde Dritte in der Damen­weltmeisterschaft. Sie blieb lange Zeit die Schachkönigin Österreichs. Im Jahre 1928 übernahm Herr Fuß die Leitung der Problemsektion. Die Bestrebungen zur Konzentration hatten 1929 die Auflassung der Sektion Nord (Café Aigner) zur Folge. Am 10. Dezember dieses Jahres gab es den ersten internationalen Höhepunkt Hietzings: Weltmeister Raoul Capablanca trat im Klublokal zu einer Simultan­vorstellung an. Er sollte nicht der einzige Weltmeister sein, den Hietzing als Gast begrüßen konnte: Dr. Emanuel Lasker (allerdings schon entthront), Dr. Alexander Aljechin, Dr. Max Euwe und Wassilij Smyslow folgten ihm in diesem Beginnen. Doch der Kampf gegen die Gefahren war noch immer nicht zu Ende: Das Café Hietzingerhof wurde 1931 gesperrt. Wohl blieb dem Klub das Spiellokal erhalten, die Situation wurde aber dort unhaltbar. So reifte zum ersten Mal der Plan eines eigenen Schachheims. Es gelang. Am 10. März 1931 wurde im Café Mariahilf (also auf der belebtesten Geschäftsstraße Wiens) in eigenen Räumen die Sektion Mariahilf gegründet und schon vier Wochen später, am 9. April, feierlich eröffnet. Zur Eröffnung trat wieder Großmeister Rudolf Spielmann, der längst Mitglied des Klubs geworden war, zu einer Simultanvorstellung an. Knapp vorher (am 9. Jänner) war eine Hoch­schülersektion ins Leben gerufen worden. Die Zeit im Café Mariahilf sollte ein weiterer Höhepunkt Hietzings werden. Alle Sektionen hatten einen enormen Zuwachs zu verzeichnen. Am 7. Dezember 1931 wurden zudem noch unter Leitung von Obstlt. Hedrich, später Captain Accurtis, eine Billardsektion, sodann auch eine Tarock-, Tischtennis- und Billard­sektion ins Leben gerufen und damit das gesellige Fundament des Vereins gestärkt. Die Problemsektion übernahm der bekannte Problem­meister Buchwald. In einer vorher durchgeführten außer­ordentlichen Generalversammlung am 3. November 1931 wurde der Name des Vereines in "Schachklub Hietzing" umgeändert, der Obmann erhielt den Titel Präsident. Einer Anregung des Präsidenten Uhlirsch folgend führte der Wiener Schachverband den Vereinscup ein und schuf für den Sieger in der Wiener Vereinsmeisterschaft den Titel "Meister­verein von Wien". Der Mitgliederstand hatte sich inzwischen auf 240 erhöht. Am 29. September verlor der Verein durch den Tod Paula Wolf-Kalmars seine erste große Meisterin, die kurz vorher vor Vera Menschik den 2. Platz in der Damen­rangliste errungen hatte. Zu ihrem Gedenken veranstaltete Hietzing sein erstes großes Damenturnier, das Frl. Graf, München (Graf-Stevenson), ge­wann.